Eine
Kinderbuch Zeitreise
Wann hat alles angefangen und was musste
passieren, um ein tolles Kinderbuch in der Hand zu halten zu können?
Zuerst hat Johannes Gutenberg den Buchdruck erfunden, oder?
Die Chinesen würden sich wundern, wenn man ihnen erzählen würde, dass ein Johannes Gutenberg in Deutschland
vor etwa 550 Jahren das Drucken erfunden hat.
Die Druckkunst wurde in Ostasien entwickelt.
Schon 1400 kannten Chinesen das System der beweglichen Schriftzeichen. Sie wurden auf
Knochen, Bronzen, Keramiken und Steinsäulen gefunden, was beweist,
dass die Chinesen schon im 5. Jahrtausend vor Christus geschrieben haben.
Kinderbücher gab es allerdings noch lange nicht, weil die meisten Menschen bis weit in die Neuzeit
Analphabeten waren. Die Frage nach Kinderbüchern stellte sich erst viel später.
Mitte des 15. Jahrhundert, als bei uns der Buchdruck erfunden wurde, gab es außer den
Lernhilfen, wie etwa Hornbücher, kaum richtige Kinderbücher. Hornbücher sind Buchstabentafeln, sie wurden wie ein Handspiegel aus Holz mit Papier beklebt. Kinder konnten
zunächst nur an Klosterschulen lesen und dies nur zu religiösen und schulischen Zwecken. Meist benutzten sie die Bibel, Gesangbuch und Luthers kleinen Katechismus.
Seit dem 16. Jahrhundert konnten die
Kinder endlich in den sehr beliebten Märchen stöbern. Sie wurden vor allem auch im 19. Jahrhundert gesammelt und als Kinderbücher umgeschrieben, unter anderem von den Gebrüdern Grimm,
Charles Perrault und Gabrielle-Suzanne de Villeneuve.
In den
1580er Jahren gab es zahlreiche Volksbücher meist von Hausierern vertrieben. 1658 brachte der Tscheche Johann Amos das erste bedeutende Kinderbuch „Orbis pictus“ auf den Markt. Die ganze Welt der Dinge und des Lebens sollte gemalt und benannt werden.
Bis ins 19.Jahrhundert sollte der „Orbis pictus“Kinder mit der realen Welt vertraut machen.Auch die ABC-Buchform war bis Mitte des 19. Jahrhunderts populär. Im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung, beschäftigte man sich intensiv mit Kindererziehung und schrieb jetzt auch kindgerechte Romane. Joachim Heinrich Campe schrieb 1779 „Robinson der Jüngere“ ,der eine Bearbeitung von Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ist. Puritaner veröffentlichten im 17. und 18. Jahrhundert in England und Amerika Kinderbücher, die von protestantischer Ethik geprägt waren. Das lag auch daran, dass nur jedes zweite Kind das Erwachsenenalter erreichte.
Der erzieherische Sinn der moralistischen Kinderbücher lag vor allem in der Vorbereitung der Kinder auf ihren Tod. Ebenso sollte ihnen beigebracht werden, wie wichtig es ist, nicht in die Hölle verdammt zu werden. Kinder wurden damals mit Lektüren von Leichen und öffentlichen Hinrichtungen konfrontiert. 1715 veröffentlichte Isaac Watt „Divine Songs Attempted in Easy Language fortheUseofChildren“, was die makabere Erzählweise etwas freundlicher machte.
Die Menschen waren damals
der Ansicht das Kind kleine Erwachsene von immanent boshaftem Wesen seien. Bis ins späte 19. Jahrhundert wurden Watt's Lieder und Verse auswendig gelernt.
Einige der ersten Kinderbücher mit
Unterhaltungswert wurden von John Newbery in den 1740er Jahren
veröffentlicht. Mitte des 18. Jahrhunderts verdrängt Lockes und Rousseaus rationaler Moralismus, bei dem die
erzieherische Botschaft raffiniert in den Geschichten versteckt wird, die rein religiösen Kinderbücher. Reine Fantasie- und Abenteuergeschichten wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts als
Kinderliteratur akzeptiert. 1893 wurden die heute bekannten Kinderbücher wie die Trotzkopf-Reihe der Emmy von
Rhoden, und die Nesthäkchen-Serie von Else Ury als verderblicher Schund abgestempelt.
1845 schrieb Heinrich Hoffmann den Struwwelpeter. Der zu den ersten erfolgreichen Kinderbüchern,
die vom Autor selbst illustriert wurden, zählte. Wahrscheinlich weil die erzieherische Botschaft deutlich zu erkennen ist und die überzeichneten Bilder und Texte schon Karikatur ähnliche Komik
haben. Diese wurde allerdings nicht immer wahrgenommen und kann für Kinder schon ziemlich heftig sein.
Lewis Carrolls
Geschichten von Alice im Wunderland (1865) gelten als erste Kinderbücher, die vollständig frei von moralistischer
Botschaft sind. Dies war eine Parodie von Carroll zu Watts’ Versen. Auch Wilhelm Buschs satirische Max und Moritz-Geschichten erschienen in dieser Zeit und der englische Autor
A.A. Milne schrieb die, bis heute bekannten, Kinderbücher von Pu dem
Bären.
Kinderbücher zä̈hlten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu minder wichtigem Schrifttum. Allein privater Initiative ist es zu verdanken, dass einige
Kinderbuch-schätze noch über Generationen überlebt haben. Erst 1885 schrieb die Staatsbibliothek eine umfassendere Sammlung vor.
Heute gibt es eine gewaltige Bandbreite an Themen für Kinderbücher, die altersgerecht angepasst werden. Mindestens so viele, wie für Erwachsene. Wobei hier natürlich auch Themen aufgegriffen werden, die damals keine Rolle spielten, wie Handy-sucht und sämtliche Medien, die zunehmend schlecht für unsere Kinder sind. Auch der Tod findet noch heute seine Bearbeitung in Kinderbüchern oder Ausländerfeindlichkeit. Auch Krieg, Streit, Scheidung und Selbstbestimmung werden in Kinderbüchern aufgegriffen.
Die als „wertvoll“ und „engagiert“ geschätzten
Kinderbücher sind allerdings lange nicht so verbreitet wie die beliebten Unterhaltungsgeschichten solcher Reihen
wie „Die wilden Hühner“ von Cornelia Funke oder die vor allem auf Spannung setzenden Reihen wie die Gänsehaut-Bücher von R. L. Stine oder die drei Fragezeichen.
Auch „Harry Potter“ von Joanne K. Rowling ist eine ewig große, komplexe
Fantasiewelt, die Kinder in ihren magischen Bann zieht.
Schon über lange Zeit sehr beliebte Kinderbücher sind „Pippi Langstrumpf“ , „Madita“, „Michel aus Lönneberga“, „Die Kinder aus Bullerbü“ und „Ronja Räubertochter“ von Astrid Lindgren, „Die unendliche Geschichte“ und „Momo“
von Michael Ende, und „Die kleine Hexe“und „Das kleine Gespenst“ von Otfried Preußler. Spätestens bei diesen tollen
Kinderbüchern werden doch alte, schöne Erinnerungen wach. Was zeigt, wie wichtig und wunderbar es für Kinder ist, tolle Bücher zu haben und in ihre eigene Fantasiewelt eintauchen zu
können.
Für die ganz Kleinen sind da eher die Sonderformen des Bilderbuchs u. a. das Fühlbuch, Pop-up-Buch und das Lift-the-Flap-Buch
interessant. Aber auch Geräusche-Bücher oder welche zum daran herumpulen und mitmachen kommen bei ihnen gut an.
Gute Bücher lassen den Mitreisenden, der Geschichte in ihre einzigartige Stimmung versinken, die durch die Phantasie der Kinder lebt. Dieses Eintauchen in die Geschichte wird bei der heutigen „Medien-Welt“ immer seltener und sollte gefördert werden. Denn auch unsere Kinder sollen die Möglichkeit auf so schöne Erinnerungen haben, wie vor dem warmen Kamin zu sitzen und ein Buch vorgelesen zu bekommen oder vor dem zu Bett gehen, und die Geschichte weiter zu träumen.